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  • Thilo

AUSGABE Nr. 18 - SOCKEN

Aktualisiert: 1. Juli 2022


Bunte Socken waren schon lange bevor ich nicht mehr in slim-fit Anzüge passte, meine liebsten Kleidungsstücke. Ich kann nicht genug davon bekommen und kaufe sie jeweils im Doppel. Socken beanspruchen – Stand heute - 16,6 % meines Kleiderschranks und um dem Ganzen etwas mehr Gewicht zu verleihen – ich spreche hier von einer 30 m2 Ankleide. Damit möchte ich keinesfalls den Bogen der Überheblichkeit überspannen. Im Gegenteil, ich wollte die folgende Bemerkung erst in die Fussnote packen, aber nein, darauf darf man schon stolz sein! Ich sehe mich als Vorreiter, als Pionier, ja als Gründervater der «Colored Socks Bewegung». Ich trug schon bunte Socken, als noch Schwarz-Weiss Fernseher verkauft wurden und wäre ich jemals bei den Pfadfindern aufgenommen worden, man hätte mich «Socke» getauft!


Es ist also ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Mode-Trend von Anna Wintour oder Choupette’s Herrchen diktiert werden. Es waren und sind bis heute die grossen Schreiberlinge! Oscar Wilde, Tom Wolfe, Johan Wolfgang von Goethe und natürlich meine Wenigkeit. Aber Alter vor Schönheit!


Nehmen wir also zur Veranschaulichung den 1774 erschienenen Briefroman «Die Leiden des jungen Werthers» von Goethe. Dieser wird gewöhnlich mit einer sehr verhängnisvollen Form der Nachahmung in Verbindung gebracht. Weniger bekannt dagegen dürfte die Wirkung des «Werther» auf die Mode des 18. Jahrhunderts sein. „Gestiefelt, im blauen Frack mit gelber Weste“, so fand man den jungen Werther leblos vor seinem Schreibtisch liegen.Sein Kleiderstil war nicht nur Ausdruck von Individualität und ein Affront gegen die Usancen der Adelsgesellschaft. Es war auch der Anfang des Color-Blocking das zum Stil fortschrittlich gesinnter Bürger wurde.


Bevor wir uns aber wieder dem Hauptthema widmen, muss ich an dieser Stelle was loswerden, das dich aus den Socken hauen wird! Selbst dann, wenn Dein Papa Moll, Heinrich Heine oder Rainer Maria Rilke hiess und Du als Kind das intellektuelle Vakuum zwischen deinem Mandarin-Kurs und der Violinen-Stunde mit dem Pauken von Garri Kasparovs ’ Schachzügen überbrückt hast. Eines wusstest Du bestimmt nicht: In der Erstausgabe des Werthers trägt derselbe eine braune Weste zum blauen Frack. Erst in den späteren Ausgaben - die nach Goethes intensiver Auseinandersetzung mit der Farbenlehre erschienen sind - trägt Werther die Komplementärfarben blau und gelb, um die innere Zerrissenheit zu visualisieren. Das hatte ich vor vielen Jahren als Schüler entdeckt, nachdem ich mein zerfleddertes Reclamheftchen durch eine gebundene Flohmarkt-Version von 1780 ersetzt hatte. Tja, ich würde sagen, das reicht locker für die Ehrendoktorwürde der Universität Weimar. Die Laudatio höre ich mir zu Ehren von Goethe und in Gedenken an Werther in einer blauen und gelben Socke an, aber nicht etwa aus einer inneren Zerrissenheit, sondern ebenfalls als Affront gegen die Usancen der Adelsgesellschaft, denn meine Socken haben Bodenhaftung!


Als Schreiberling trat ich in Werthers Fussstapfen und trug die Tradition bunter Socken als Statement in die Neuzeit! Das war nicht immer einfach: Noch vor 20 Jahren musste ich für jedes Paar Socken von Corgi, Paul Smith, Thomas Pink oder Duchamp nach England reisen, wo der modische Einfluss von Oscar Wilde bis heute omnipräsent ist. Unterdessen ist aber auch hierzulande das Angebot stark gewachsen. Crazy Socks wohin das Hühnerauge reicht.


Dilly Socks sind mir in diesem Zusammenhang eine besondere Erwähnung wert, weil sie nicht nur richtig originelle Socken herstellen, auf denen die Donuts nach der ersten Handwäsche nicht an Spiegeleier erinnern, sondern auch, weil sie nachhaltig produzieren. Meinen Füssen ist Bio-Baumwolle ein grosses Anliegen, den während der Fisch am Kopf zu stinken beginnt, ist es beim Menschen andersrum. Es mag sein, dass Synthetik-Socken etwas kräftiger leuchten aber ein Fuss in Klarsichtfolie weint bittere Tränen und zersetzt damit auch jeden Schuh. Damit hinterliesse ich nicht nur physisch, sondern auch ökologisch einen unzumutbaren Footprint. Die Dilly Socks-Truppe bewundere ich aber nicht nur als Kunde, sondern auch als Unternehmer, denn als faule Socke baust du neben dem eigentlichen Job kein solches Sockenimperium auf. Respect Dillys!

https://dillysocks.com/


Wer gerne auf grossem Fuss lebt, für den gibt es nur eine Antwort auf die Sockenfrage: Der FALKE Finest Vicuña. Für diese Socke wird das «Vlies der Götter» verwendet. Gemeint ist damit das Fell des peruanischen Vicuñas, dessen feine Wolle als die seltenste und teuerste der Welt gilt und früher ausschliesslich dem Adel und der Kirche vorbehalten war. Aber die Zeiten sind zum Glück vorbei. Heute kannst du 860 Tacken aus dem Sparstrumpf nehmen und dir auch einen solchen Socken auf Mass herstellen lassen. Wem das zu teuer ist, kann bei der Kirchensteuer sparen und würde dennoch zum Mode Gott!

https://www.falke.com/ch_de/inspiration/falke-finest-vicuna/


Socken haben das Potenzial jedes Outfit zu perfektionieren. Sie haben aber auch die Macht alles zu zerstören. Sie sind also vergleichbar mit Alfred Nobels Dynamit. Aber was wäre schon ein Artikel über Socken ohne meine Hilfestellung. Es gibt eine Grundregel, die es zu befolgen gilt. Die auf Malle und Campingplätzen gern gesehene Kombination von Socken in Sandalen sollte wirklich nur den hippsten Hyper-Hipstern überlassen werden. Das ist ein heikles Unterfangen und vergleichbar mit der Zubereitung des Kugelfischs. Da muss einfach ALLES passen. Überlassen wir dieses Feld besser mal den Toms, Bills und Heidis dieser Welt. – die dürfen und können das. Obwohl man fairerweise sagen muss, dass dieser modische Fauxpas eine lange Tradition hat. Das älteste erhaltene Paar Socken stammt aus der Zeit zwischen 250 und 420 n. Chr. Diese Socken wurden in der Nähe des Nils Ägypten auf dem Friedhof einer alten Kolonie gefunden. Sie wurden aus roter Wolle hergestellt und hatten gespaltene Zehen, damit sie in Sandalen passen. Merke Dir also meine leicht einprägsame Eselsbrücke: Gespaltene Zehen sind des Teufels!


Mit dem Trend zur Handarbeit erfreut sich auch das Sockenstricken wieder grösster Beliebtheit - man muss es nur «Wollen»! Wer einmal – wie ich damals in der Schule bei Frau Schaub – Socken stricken musste, weiss welche Arbeit damit verbunden ist! In meinem Fall dauerte die Herstellung sogar länger als die Lebensdauer der Socken! Dafür fehlt mir bei aller Liebe zum Socken die Ausdauer. Genauso wie fürs Joggen, – aber da muss ich durch, denn im Hochsommer verlieren Socken vorübergehend etwas an Anziehungskraft. Die Aura des weichen Flaums eines bunten Baby-Alpaka Socken weicht dem Magnetismus stählernen Bodies. Die gute Nachricht ist, der nächste Winter kommt bestimmt. Die schlechte: Ich muss meine Laufschuhe montieren und mich auf die Socken machen, denn ein Baby-Alpaka-Body haut niemanden aus den Socken!

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