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  • Thilo

AUSGABE Nr. 17 - AUSTERN

Aktualisiert: 1. Juli 2022


Wer es nicht schon selbst erlebt hat, hält es vielleicht für eine Floskel aber Literatur inspiriert tatsächlich zum Kochen. Für diesen Artikel war nicht nur der Austausch mit dem Schweizer Kochtalent Lorenz Graf - dessen Kreationen mich tief beeindrucken – sondern auch ein Buch Inspirationsquelle:

Paul Auster – Die Kunst des Hungers. Was für eine Steilvorlage für diesen Artikel!


Auster stellt darin die Frage, ob es einen Zwang zur Literatur gäbe und ob sich – falls dem so sei – die grossen Werke der Weltliteratur von allen übrigen Büchern dadurch unterscheiden, dass sie geschrieben werden mussten. Wer hier eine Antwort auf diese Frage sucht, den muss ich leider enttäuschen. Die Auster ist eine Diva und verdient volle Aufmerksamkeit!


Eines steht aber fest: Paul Auster’s Buch über die Kunst des Hungers hat mich dazu inspiriert mich der Auster zu widmen. War es ein Zwang? Schwer zu sagen, vielleicht war es auch einfach nur der Hunger. Jedenfalls unterscheidet sich dieser Artikel von allen übrigen Artikeln, die über Austern geschrieben wurden. Versprochen!


Beginnt man sich mit dem Thema Austern zu befassen, stellt sich erst einmal die grundsätzliche Frage, weshalb man überhaupt eine Melange aus Austernfleisch, Zitrone und Meerwasser schlürft?


Die Kult-Delikatesse fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten. Eigentlich schon länger, wenn man bedenkt, dass Aphrodite, die Göttin der Liebe, aus einer Muschel entsprang und man der Auster eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Zink soll tatsächlich die Produktion von Sexualhormonen anregen und den Testosteron-Spiegel erhöhen. Kein Wunder also verschlang der Erfinder der Polygamie - Giacomo Casanova - 50 Austern zum Frühstück.

Ob Austern nun tatsächlich aphrodisierend wirken, wurde wissenschaftlich noch nie bestätigt. Gut möglich, dass es einfach am Champagner lag, denn mit seinem fischigen Atem allein konnte er bestimmt nicht überzeugen. Aber Mythen soll man - wie Austern - geniessen und nicht hinterfragen. Gut möglich also, dass Casanova die eine oder andere Arielle an der Angel hatte. Liebe kennt keine Grenzen!


Richtig in Austern verliebt habe ich mich erst über die Netflix-Serie Mad Man. Ich fühlte mich als ehemaliger Werber den Figuren der Serie tief verbunden, und wenn ich ihnen zusah, wie sie sich nach einem erfolgreichen Pitch zwei Dutzend Austern und eine Flasche Champagner gönnten, erschienen mir Austern als Möglichkeit ihnen noch näher zu sein, denn ich habe weder bei Jung von Matt, Advico Young & Rubicam noch bei Wunderman Thompson jemals Austern serviert bekommen. Nicht etwa, weil es nichts zu Feiern gegeben hätte aber im Gegensatz zu den 50er Jahren fehlte mir in der 50-Stundenwoche dafür schlicht die Zeit. Falls also ein Aussteiger noch eine Startup-Idee sucht: Auster-Lieferdienst mit 10% Rabatt für ADC-Mitglieder.


Ich habe grosses Verständnis dafür, dass Austern zum Frühstück nicht jedermanns Sache sind. Aber wann ist der richtige Anlass, wann der richtige Zeitpunkt für Austern?


Es gibt viele Gründe Austern zu essen – ein gewonnener Pitch, Einsamkeit, Aufmerksamkeitsdefizit, die Liebe zum Meer, die richtigen sechs Kreuze auf dem Lottoschein…. Der Möglichkeiten gibt es viele aber wichtiger als der Anlass ist beim Austernessen der Zeitpunkt: enthält der Monat kein «R» bleibt die Auster zu - so die Regel. Woher diese „R“ Regel stammt, darüber kursieren mehrere Theorien. Die Einhaltung der Kühlkette während den warmen Sommermonaten erscheint mir am plausibelsten. Bei der bayrischen Weisswurst verhält es sich ähnlich: Keine Zuzeln nach Zwölf Uhr! Da es zu Casanovas Zeiten keine Kühlschränke gab und die Auster - wie auch die Wurst - leicht verderblich ist, sollten sie immer frisch auf den Tisch kommen. Wer heutzutage im Juli Austern oder nachmittags um zwei eine Weisswurst isst, schlägt dem Schicksal also ein Schnippchen.


Noch wichtiger als der Zeitpunkt scheint mir das Datum zu sein. Austernliebhaber sollten sich daher den 5.August gut sichtbar im Kalender eintragen. Man sollte es wirklich deutlich sehen – jedenfalls deutlicher als das «R» in August!? Der National Oyster Day wird zwar hauptsächlich in den USA gefeiert aber im August ist man ohnehin gut beraten aus der stickigen Stadt zu flüchten und die Meeresbrise in den Hamptons – der Perle der Ostküste - zu geniessen.


Wagen wir nun mal einen Perspektivenwechsel: wie lebt die Auster mit unserer Vorliebe für Meeresfrüchte?

Wir kommen nicht darum herum uns dem «barbarischen» Akt des Austernessen zu widmen. Ist der Verzehr von lebenden Austern überhaupt vertretbar oder anders formuliert: Würde Aristoteles als Gründervater der Ethik Austern essen?


Die Meeresbiologie gibt hier Entwarnung: Austern besitzen kein Gehirn und um angenehme oder unangenehme Gefühle verspüren zu können, bräuchte es ein ebensolches. Das könnte auch die Erklärung liefern, weshalb so wenig Corona-Leugner weder Scham noch Symptome verspürten. Aber bevor die Fassade unserer Redaktion durch Farbbeutel eine neue bunte Kolorierung erhält, wie man sie sonst nur beim Schnorcheln auf Galapagos bewundern kann, wenden wir uns wieder den Austern zu.


Nachdem uns die Biologie die Absolution zum Austernessen erteilt hat, sollten wir uns jetzt dem Öffnungsprozedere zuwenden. So wie wir Menschen unsere Haustüre verriegeln, so sucht auch die Auster in Ihrer harten Schale Schutz vor «Einbrechern». Um bei Oyster’s einzusteigen, benötigten hungrige Langfinger erstmal die richtigen Hilfsmittel: ein Austernmesser – idealerweise aus der Traditionsschmiede Laguiole en Aubrac - sowie einen Kettenhandschuh. Allein die Verwendung dieser Utensilien, machen das Austernessen zu einem Spektakel.


Was hätte sich der Gladiator gefreut, hätte er im letzten Kampf einen solchen Kettenhandschuh tragen dürfen. Die Geschichte wäre neu geschrieben worden. Maximus hätte vor einem Millionenpublikum eine zweite Chance erhalten, Millionen von Fans einen zweiten Teil und Ridley Scott einen weiteren zweistelligen Millionenbetrag. Es heisst nicht umsonst «The world is your Oyster» – Jeder hat sein eigenes Leben in der Hand und mit einem Kettenhandschuh und 50 Austern zum Frühstück wirst Du es als «Maximus Ostreum» ganz nach oben schaffen!


Nachdem nun auch der letzte Zweifler grosse Lust verspüren dürfte ein Dutzend dieser Delikatessen-Dauerbrenner zu schlürfen, stellt sich – sofern die Kreditkarte entsprechend gedeckt ist - eine allerletzte Frage: Wo?


Nun, das hängt von diversen Faktoren ab. Aber wir haben versucht eine breitgefächerte Auswahl zu treffen, die jeden Gusto und Geldbeutel berücksichtigt und selbst Vegetarier haben wir nicht vergessen.


Gehörst Du zu den Menschen, die im Dezember 2017 ordentlich Oyster-Coins abgefischt haben und diese vier Wochen später wieder ausgespuckt haben, verbringst Du vermutlich den National Oyster Day in deiner 12-Zimmer Villa in den Hamptons. Wenn dem so ist, empfehle ich für den Austernschmaus das

Restaurant «Mirazur» des Argentiniers Mauro Colagreco an der Côte d'Azur. Es führt derzeit die Liste der 50 besten Restaurants der Welt an und serviert Dir eine einzelne Gillardeau-Auster, die mit kleinen weissen Tapiokaperlen, bläulich-violette Blüten und einem Zylinder aus Birnengelee dekoriert ist. Über den Kostenpunkt dieser Delikatesse kann man nur spekulieren aber für jemanden wie dich, der durch «Oyster» reich wurde: ein müdes Lächeln plus Trinkgeld. http://www.mirazur.fr


Wer allerdings – wie der Autor – über Austern schreiben muss, um sich Surimi Sticks leisten zu können, findet in der Zürcher «Berta Bar» an der gleichnamigen Strasse eine grossartige Quartier-Atmosphäre und jeweils am Mittwoch wilde Austern vom Grill. Die Berta Bar ist wahrlich eine Perle und mit oder ohne Austern ein Besuch wert! https://www.bertabar.ch


Hast du Tiere – mit Ausnahme von Zimtschnecken, Schlangenbrot und Red Bull – von deinem Speiseplan gestrichen? Kein Problem! Die plant-based «Austern» von Normads sind nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich ein Highlight. Wer das gerne mal ausprobieren möchte, dem kann ich das Hofkino Zürich empfehlen, wo Normads ihre rein pflanzlichen Delikatessen täglich anbietet. https://www.nomadszuerich.ch


Halten wir also abschliessend fest: Austern sind der Inbegriff einer delikaten Delikatesse. Die bescheidenen Meeresbewohner faszinieren uns seit tausenden von Jahren und verfügen über eine magische Anziehungskraft. Auf uns und Andere. Möchtest Du also das Leid deines einsamen Single-Daseins beenden ohne, dass dafür eine Auster leiden muss? Iss sie! Casanova würde sagen: «Se non è vero, è ben trovato». Austern retten unser Liebesleben, Austern machen uns satt, Austern lassen uns durch ihren Verzehr eine Kaste nach oben rücken. Was würden wir ohne Austern als «invisible Hand» nur machen?!


Nun liegt es an uns - Austern sind rund um die Uhr, und rund um den Globus in jeder Preisklasse verfügbar - neu auch für Vegetarier. Wer mit dieser grossen Auswahlmöglichkeit überfordert ist, sollte gänzlich auf Austern verzichten und wie ich auf eine Rolex Oyster sparen!

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